Schwanger zu sein ist eine ganz besondere Erfahrung für jede Frau - und eine ganz besondere Verantwortung. Infektionskrankheiten, die normalerweise folgenlos ausheilen, können während der Schwangerschaft zu einer ernsten Gefahr für das Ungeborene werden. Das weitgehend schutzlose Kind kann erkranken, schwere Missbildungen davontragen oder im schlimmsten Fall sogar sterben. Um das zu verhindern, gibt es in Deutschland während der gesamten Schwangerschaft eine intensive ärztliche Betreuung.
Individuelle Vorsorge
Die obligatorische Mutterschaftsvorsorge deckt nicht alle gefährlichen Infektionen während der Schwangerschaft ab. Zusätzliche über die Basisvorsorge hinausgehende Untersuchungen dienen einer Verbesserung der individuellen Schwangerschaftsvorsorge. Von den gesetzlichen Krankenkassen werden sie jedoch nur bei Verdacht auf eine akute Infektion übernommen. Als Vorsorgemaßnahme müssen Sie derzeit die Kosten selbst tragen. Ärzte empfehlen die Untersuchung auf folgende Erreger:
Bei der Toxoplasmose handelt es sich um eine Infektion mit dem Parasiten Toxoplasma gondii. Die Infektion ist bei Säugetieren weit verbreitet und auch auf den Menschen übertragbar. Bei Jugendlichen und Erwachsenen verläuft die Infektion meist unbemerkt und harmlos. Allerdings kann die Infektion bei Störungen des Immunsystems zu einem späteren Zeitpunkt ausgelöst werden. Höchst gefährlich können die Parasiten dagegen für Embryos werden.
Erstinfektion ist besonders gefährlich
Anders als ein Erwachsener reagiert ein ungeborenes Kind bei einer Erstinfektion sehr empfindlich, da sich seine Organsysteme noch entwickeln. Infizierte sich die werdende Mutter vor der Schwangerschaft, ist das Kind durch die Antikörper der Mutter geschützt. Im Allgemeinen sind die Auswirkungen einer kindlichen Infektion im ersten Drittel der Schwangerschaft am schwersten. Hier kommt es vor allem zu Hirnschäden und Augenkrankheiten, aber auch zu Fehlgeburten. In den späteren Stadien der Schwangerschaft sind die Symptome weniger stark ausgeprägt. Daher kann es vorkommen, dass eine Infektion bei der Geburt nicht bemerkt wird. In diesen Fällen können noch Jahre später Augenschäden oder eine geistige Behinderung auftreten.
Infektionsgefahren
Am häufigsten infiziert sich der Mensch durch den Verzehr von nicht durchgebratenem Fleisch oder Fleischprodukten (Schwein, Schaf, Rind oder Geflügel). Der Erreger befindet sich in winzigen Zysten, meist in der Muskulatur oder im Gehirn. Ebenfalls relevant ist die unbemerkte Aufnahme von Katzenkot, beispielsweise bei der Gartenarbeit oder durch den Genuss von ungewaschenem Gemüse. Der Kontakt mit Ihrer Hauskatze spielt entgegen der landläufigen Meinung nur eine untergeordnete Rolle. Die Schwangere spürt meist nichts von einer Infektion. In diesem Fall lässt sich die Toxoplasmose nur mit einer Blutuntersuchung nachweisen. Wird eine Toxoplasmose in der Schwangerschaft rechtzeitig erkannt, kann eine wirksame medikamentöse Behandlung durchgeführt werden.
Wie kann man sich schützen?
Wird bei der Blutuntersuchung festgestellt, dass bei der Schwangeren keine schützenden Antikörper vorhanden sind, müssen Vorkehrungen getroffen werden.
Eine Infektion mit Ringelröteln - nicht zu verwechseln mit Röteln - kann für Schwangere dramatische Folgen haben und das Ungeborene schwer schädigen. Die Ringelröteln werden durch ein Virus (Parvovirus B19) verursacht. Es handelt sich, ebenso wie bei den Windpocken, um eine Tröpfcheninfektion. Da das Ansteckungsrisiko vor Beginn des Hautausschlags am höchsten ist und im Erwachsenenalter in mehr als 60 Prozent der Fälle ohne charakteristische Symptome abläuft, kann man sich vor einer Infektion meist nicht erfolgreich schützen.
Schwieriger Schutz
Frauen, die schon Ringelröteln hatten (ca. 60 Prozent), sind vor einer Erkrankung in der Schwangerschaft durch Antikörper geschützt. Feststellen lässt sich das allerdings nur durch eine IgG- und IgM-Antikörperbestimmung per Bluttest. Das Vorhandensein von Immunglobulin G (IgG) gibt Hinweise auf eine früher durchgemachte Erkrankung. Immunglobulin M (IgM) wird sehr rasch vom Immunsystem gebildet und zeigt deshalb, ob eine Infektion frisch ist.
Dramatische Folgen
Das ungeborene Kind kann an ausgeprägter Anämie und Wassersucht erkranken oder sogar sterben, insbesondere zwischen der 14. und 28. Schwangerschaftswoche. Jedoch kann eine Anämie mit einer sofortigen Bluttransfusion über die Nabelschnurvene behandelt werden.
Von einer Anämie spricht man, wenn das Blut zu wenig rote Blutkörperchen und zu wenig roten Blutfarbstoff enthält. Da die roten Blutkörperchen Sauerstoff transportieren, leiden Betroffene unter einem Mangel, der sich durch Müdigkeit und Leistungsabfall äußert. In der Schwangerschaft kann eine Anämie auch durch Eisen- oder Folsäuremangel ausgelöst werden. Außerdem kommt die Verdünnungsanämie vor: Weil die Blutmenge zunimmt, der flüssige Anteil jedoch stärker als die Zahl der Blutzellen, ist das Blut stärker verdünnt.
Eine Infektion mit Windpocken in der Frühschwangerschaft birgt Gefahren. Bis ungefähr zur 23. Schwangerschaftswoche kann sie zu einem so genannten kongenitalen Varizellen-Syndrom führen: Das Neugeborene leidet an Hautnarben, Veränderungen der Gliedmaßen, geringem Geburtsgewicht und Lähmungen. Bei ca. 1 bis 2 Prozent der erkrankten Patientinnen treten diese Komplikationen auf. Auch bei einer erstmaligen Windpockeninfektion der Mutter kurz vor der Geburt kann es beim Kind zu einer schwer verlaufenden Infektion kommen, die mit Folgeschäden verbunden sein kann. Schwangere, die diese Erkrankung schon durchgemacht haben, sind geschützt. Dies ist bei ca. 94 Prozent aller Schwangeren der Fall.
Antikörpertest
Bei nicht geschützten Schwangeren, die Kontakt mit Windpockenpatienten haben, kann die Krankheit durch rechtzeitige Gabe eines Immunglobulins (= Antikörper) in etwa 50 Prozent der Fälle verhindert werden. Falls Sie sich nicht an eine Erkrankung mit Windpocken erinnern, ist es ratsam, die Antikörper bestimmen zu lassen.
Schutzmaßnahmen
Wenn Sie die Krankheit noch nicht hatten, sollten Sie Kontakt mit an Windpocken erkrankten Kindern und Erwachsenen meiden. Im Allgemeinen besteht die Gefahr der Ansteckung einige Tage vor Auftreten der Bläschen bis zur Verkrustung der meisten Pusteln. Frauen mit Kinderwunsch, die noch nicht an Windpocken erkrankt waren, können sich auch vorbeugend impfen lassen.
Das Zytomegalie-Virus führt in Deutschland jährlich in 1 bis 4 Prozent zu primären Infektionen bei Schwangeren. Das Virus gehört zur Familie der Herpes-Viren: Nach der Erstinfektion bleibt es lebenslang im Körper. Die Infektion verläuft in 90 Prozent der Fälle harmlos und wird nicht einmal bemerkt. Wenige Menschen haben grippeähnliche Symptome wie Fieber, Halsschmerzen oder Müdigkeit. Eine Behandlung ist nur bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem und bei Schwangeren nötig. Etwa 10 Prozent der betroffenen Kinder zeigen bei der Geburt Infektionssymptome. Davon erleiden 10 bis 15 Prozent Spätschäden. Diese können ernsthaft sein und von Verkalkungen des Gehirns bis hin zu einer Wachstumsstörung des Gehirns, einer Entzündung der Netzhaut oder Taubheit reichen.
Schutz nach Erstinfektion
In Deutschland haben etwa 60 Prozent der Frauen Antikörper, da sie schon infiziert waren. Damit kann keine Erstinfektion mehr stattfinden. Die restlichen 40 Prozent sind jedoch gefährdet. Denn im Allgemeinen sind Schäden des Kindes nur bei der Erstinfektion der Mutter in der Schwangerschaft zu erwarten. Die Blutuntersuchung sollte in der Frühschwangerschaft erfolgen. Dabei zeigt sich, ob Antikörper (IgG und IgM) nachgewiesen werden können. Hat die Patientin noch keine Zytomegalie durchgemacht, sollte sie während der Schwangerschaft den Kontakt zu Kindergruppen, zum Beispiel im Kindergarten, meiden, weil das Virus dort sehr häufig auftritt. Zudem werden weitere Kontrolluntersuchungen empfohlen. Eine Impfung gibt es nicht.
Nicht nur Viren, auch bestimmte Bakterien können lebensbedrohliche Infektionen bei Neugeborenen verursachen. Dazu gehören Bakterien der B-Streptokokken-Gruppe (Streptococcus agalacticae). Die Frühform dieser Erkrankung tritt in den ersten Tagen nach der Geburt auf und kann zu schweren Krankheitsformen wie Blutvergiftung, Lungenentzündung und Hirnhautentzündung führen. Das Neugeborene muss dann antibiotisch behandelt werden. Trotz ausreichender Behandlung kann es aber in etwa 20 Prozent der Fälle zu Folgeschäden kommen.
Vorsorge hilft
Da eine B-Streptokokken-Besiedlung des Muttermundes nicht verhindert werden kann, kommt der rechtzeitigen Diagnostik eine zentrale Bedeutung zu. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe empfiehlt darum einen B-Streptokokken-Nachweis. Durch breit angelegte Untersuchungen in den USA konnte nachgewiesen werden, dass eine kurz vor bzw. während der Geburt auftretende Infektion durch gezielte präventive Maßnahmen verhindert werden kann. Konkret bedeutet das: Falls bei der Mutter B-Streptokokken nachgewiesen werden, kann die Frühform der Neugeboreneninfektion durch eine Antibiotikagabe während der Geburt größtenteils verhindert werden.
Die Credé'sche Prophylaxe, bei der Neugeborenen 0,5 bis 1 Prozent Silbernitratlösung in die Lidfalten des Auges geträufelt werden, um eine (seltene) Augeninfektion mit Gonokokken zu verhindern, ist seit 1992 in Deutschland nicht mehr vorgeschrieben. Die Infektion mit Gonokokken tritt nur noch selten auf. Gelegentlich werden andere Substanzen zur Vorsorge von Augeninfektionen eingesetzt (Erythromycin/PVP-Jod). In Verdachtsfällen kann die Credé'sche Prophylaxe dennoch sinnvoll sein. Falls vor der Geburt jedoch durch die Untersuchung eines Abstriches eine Infektion mit Gonokokken ausgeschlossen werden kann, ist die Credé'sche Prophylaxe nicht erforderlich.
IM DETAIL
Zur Basisvorsorge gehören die Untersuchungen auf:
Diese Untersuchungen werden gemäß den Richtlinien zum Mutterschutz von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt.
SINNVOLLE ZUSATZVORSORGE FÜR SCHWANGERE
Klicken Sie hier und erfahren Sie, welche zusätzlichen Untersuchungen empfohlen werden.